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Vor fast zwei Jahren saß ich in dem idyllischen Weinstube Korkenzieher in unserer Altstadt, um den Abend mit Freunden zu genießen.

„Womit darf ich euch verwöhnen“, fragte eine junge Frau und lächelte uns herzlich an.
Ich starrte Sie an.
In meinem Hirn ratterte es.
Woher kenne ich dieses Gesicht?
Es gehört nicht zu meinen Stärken mich an Namen zu erinnern, aber ein Gesicht vergesse ich nie.
Wir bestellten, jedoch ließ mich der Gedanke den ganzen Abend und die nächsten Tage nicht los.

Ich erzählte beiläufig einer meiner Töchter, dass ich in dem entzückenden Weinlokal bei mir um die Ecke war. „Hast du Silvia getroffen“, fragte sie mich.
„Welche Silvia?“
„Oh Mama, machst du wieder einen auf Dorrie?“
„Silvia Sanchez, meine Freundin aus Schultagen,“
„Ihr gehört das Lokal.“

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen.
Selbstverständlich.
Das Gesicht, die fröhlichen Augen, dieses sympathische Menschenskind.
„Ich habe sie gesehen“, gab ich kleinlaut zu, jedoch habe ich sie nicht erkannt, dabei jetzt, wo du es sagst sieht sie immer noch so aus wie früher.“

…und wieder bekomme ich eine wunderbare Geschichte aus unserer Mitte geschenkt….1-silvia
Jetzt ist es endlich soweit.
Pünktlich zum traditionellen Weihnachtsmarkt in Dietzenbach, oder dem bevorstehenden Fest der Liebe,besuche ich Silvia Sanchez in deren Weinstube Korkenzieher.
Mit einer herzlichen Umarmung wurde ich von Silvia begrüßt, als wäre das vergangene Jahrzehnt nicht existent.
Ich schaute in die freundlichen Augen mit ganz viel Herzenswärme.
„Hallo“, sagte ein junger Mann und unterbrach unsere emotionale Zeitreise in die Vergangenheit.
„Ich bin Johan, der Lebensgefährte von Silvia,“ und übernahm mich, ganz Kavalier, um auf Händen ins Lokal zu tragen.
Meine Elke zückte gleich die Kamera um alles mit Bildern festzuhalten.
„Bitte nicht mich fotografieren, die Hauptfigur ist Silvia.
Ich möchte lieber im Hintergrund bleiben,“ sagte dieser sympathische junge Mann.“
„Das passt,“ dachte ich und Elke nahm Johan zumindest von hinten auf…2-johan
„Wo ist der schönste Platz,“ überlegten die beiden.
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E
her hier, oder besser dort?…

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„Dürfen wir die Bank auch woanders hinstellen,“ wollte Silvia wissen.

„Ihr seid die Gastgeber.“
„Ihr dürft in der Zeit, wo ich bei euch bin mich einbinden, wo auch immer ihr es denkt, im Gegenteil“
„Ich freue mich darüber mittendrin anstatt nur dabei zu sein.“
„Ich möchte euch kennenlernen und mit euch eine tolle Zeit verbringen.“
„Ihr dürft mich hinstellen, wo ihr denkt.“

„Ich habe bedenken dich draußen hinzustellen.“
„Nachher wirst du wieder entführt.“
„Ich würde mir die größten Vorwürfe machen,“

„Du Liebes, mache dir keine Sorgen,“ versuchte ich Silvia zu beruhigen.
„Ich bin verzaubert und komme immer wieder.“
„Mich kann man nicht durch Entführung oder sonstigen Übergriffen von meinem Weg abbringen.“
‚“Im Gegenteil.“
„Ich habe mich auf den Weg gemacht, um für für Werte wie Respekt, Wertschätzung und soziale Kompetenz die Fahne hochzuhalten.“
„Wenn ich entführt werde, dann ermangelt es den Entführern exakt an diesen Werten.“
„Die Entführer können weder mit der Entführung angeben, noch mich irgendwo als Trophäe hinstellen, da es eine fragwürdige Ehre wäre, oder?“
„Umgekehrt wird eher ein Schuh daraus.“ „Wir schreiben darüber und stärken damit wieder die Betroffenen.“
„Die Geschichte am Wertstoffhof hatte durch die Entführung eine wunderschöne Ergänzung, da ich über das Engagement schreiben konnte, wie sie mich seinerzeit mit größter Aufregung auf dem ganzen Gelände gesucht haben.“
„Ich bin schon häufiger entführt und demoliert worden, aber schau her,“ grinste ich kokett,
„wie Phönix aus der Asche erwachse ich schöner und besser denn je.“

„Nein, nein, du kommst zu uns ins Lokal,“ sprach Silvia mit besorgtem Gesicht.
„Ich möchte dich zu Gast zwischen meinen Gästen haben.“


Ich denke hier, vor dem Weinregal.“ „Da können die Gäste kurz verweilen, bevor sie zu ihren Tischen 3-silvia-wohin
geführt werden.“

„Was haltet ihr von oben,“ fragte Johan.
„Wir könnten zwei Stühle entfernen und dafür die Bank hinstellen.“
„Hmmh, wenn zwei Gäste darauf sitzen, sieht man die blaue Bank nicht mehr,“ überlegte Silvia und schon waren die Beiden wieder unten.

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Ich denke, das ist ein schöner Platz für dich.“
W
er kann diesem sonnigen Wesen etwas abschlagen?
„Mache doch ein Selfie und schicke es FFH, das wäre doch der Knaller, wenn du gezogen werden würdest.“
„Im Moment hat FFH eine Aktion „höre dein Selfie“.
„Meine Töchter nehmen daran teil, um für eine bevorstehende Hochzeit die Kleider der Weiber zu finanzieren..“
„Die werden mich steinigen, wenn du aufgrund meiner Empfehlung anstatt meiner Töchter gewinnen würdest…“

„Wo ist dein kommerzieller Vorteil als blaue Bank,“ fragte Johan nachdenklich.
Ich lachte schallend.
„Mein Lieber, ich bringe  für dieses aufwendige soziale Engagement Geld mit.“
„Du darfst mich jetzt auf einen Kaffee einladen, jedoch achte ich tunlichst darauf ,keinen finanziellen Vorteil durch meine Aktivität zu erhalten.“

Wir setzten uns an einen der Tische und der Kaffee kam sofort.

„Du musst mir ein wenig helfen, begann ich das Interview mit Silvia.“
„Ich habe nur noch in Erinnerung, dass du irgendwann an der Seite von Michelle aufgetaucht bist.“
„Wie und wann bist du Dietzenbacherin geworden?“
„Ich muss selbst überlegen.“
„In der 8-ten bin ich nach den Sommerferien in die Ernst-Reuter-Schule gekommen.“
„Das war, lasse mich überlegen, 2002.“
„Meine Familie und ich lebten in Quito der Hauptstadt von Ecuador.
Kurz bevor wir in den Sommerferien meine Tante hier in Dietzenbach besuchen wollten, sind wir in Quito überfallen worden.“
„Das Leben verglichen mit dem Leben hier, ist komplett anders.“
„In Ecuador kannst du nicht einfach zur Schule gehen, oder Freundinnen zu Fuß oder mit dem Fahrrad besuchen.“
„Die Dimensionen sind anders.“ „Du benötigst für alles ein Auto.“
„Außerdem wäre es aus Sicherheitsgründen undenkbar.“
„Die Frage an die Eltern ‚darf ich meine Freundin besuchen‘ war nicht bezogen auf ‚darf ich gehen‘ sondern es war bezogen auf die Organisation ‚wie komme ich dort hin und wieder zurück‘.“
„Mein Papa kommt vom Ursprung aus Kolumbien.“ „Dort war es aber sicherer als in Ecuador.“

Ich schaute die junge Frau mit ungläubigen Augen an.
Als Teenie hat sie schon diese Erlebnisse gehabt. Mir ging durch den Kopf was ich mir alles bezüglich der Sicherheit anhören musste als ich seinerzeit entschieden habe, Dietzenbacherin zu werden.

„Wie kommt es, dass deine Tante in Dietzenbach lebte,“ formulierte ich laut die Frage, die mir in diesen Überlegungen durch den Kopf schoss.

„Meine Tante hat in Frankfurt studiert und die Gelegenheit genutzt die Apotheke in Steinberg zu eröffnen, die sie fast 30zig Jahre geführt hatte, bis der Edeka gebaut worden ist.“

„Der Schock saß tief,“ nahm Silvia den Faden ihrer Erinnerungen wieder auf.
„Unsere Gedanken waren in diesen Sommerferien einzig und allein: ‚Warum bleiben wir nicht hier?“
„Papa soll sein Geschäft an seinen Bruder übertragen.“
„Die Schwestern wollten ohnehin in Deutschland studieren.“
„Die Kinder sind hier sicherer,“ waren die Inhalte und Argumente unserer damaligen Debatten.

„In Dietzenbach sicherer…,“ ich lachte trocken auf.

„Ja,“ lachte mich Silvia temperamentvoll an und führte mit einer Lebendigkeit weiter aus.
„Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, welche Umstellung das für uns war.“
„Wir waren auf einmal frei in unseren Handlungen.“
„Kann ich mich mit Michelle treffen bedeutete nur noch, von wann bis wann und nicht ob oder ob nicht, welcher Fahrer zur Verfügung steht.“

„Ich habe nicht in Erinnerung, dass du der deutschen Sprache nicht mächtig warst.“
„Wenn du 2002 erstmals aus Ecuador nach Deutschland gezogen bist, dann waren deine Deutschkenntnisse aber hervorragend.“
„Waren sie auch.“ „Ich bin in Quito in eine deutsche Schule gegangen. Außer Spanisch und Englisch wurde ich in Deutsch unterrichtet.“
„Es war dennoch eine erhebliche Umstellung.“
„Die Lehrer sprachen langsam, ganz im Gegenteil zu deiner Tochter,“ grinste mich Silvia an.
„Ich ahnte, was sie meinte.“
„Meine Eltern sind anfangs verzweifelt, da ich mir ein „Dragon-Deutsch“ mit Halbsätzen vom Schulhof angewöhnt hatte.
„Meine Mutter nahm mich seinerzeit zur Seite und sagte: ‚Kind, übernehme nicht immer alles, was das Gros dir vorgibt, nur damit du dazugehören kannst. Bleibe dir und deinem Niveau treu. Es mag sein, dass sich dadurch der Kreis dezimiert, jedoch lohnt es sich.‘

„Eine sehr kluge Frau deine Mama!“

„Wie ging dein Lebenswert weiter,“ wollte ich wissen.

„Nach der Schule erlernte ich den Beruf zur Hotelfachfrau.“
„Schon während der Ausbildung wusste ich, dass ich in die Gastronomie gehen würde und ein eigenes Lokal haben werde.“
„Parallel zur Ausbildung habe ich die Zusatzqualifikation zum Management getätigt.“
„Dadurch erlernte ich ein Unternehmen kaufmännisch und strategisch zu führen.“
„Während der Ausbildung erarbeitete ich einen Businessplan für ein Lokal wie dieses,“ hob die Arme und strahlte, „obwohl ich nicht die leiseste Ahnung hatte wo und wie dieses Lokal sein würde.

„Hier gegenüber wohnt Caroline Schmunck und zeigte aus dem Fenster.“
„2013 war ich mit ihr auf der Geburtstagsfeier einer gemeinsamen Freundin.“
„Jeder wusste, dass ich unbedingt ein Lokal führen wollte.“
Johan nickte und lächelte Silvia an.
„So auch Caroline!“

„Taufrisch ist die Info,“ erzählte seinerzeit Caroline bei der Feier. „Heute wurde entschieden, dass der Pächter des Korkenziehers aufhört und ein neuer Pächter gesucht wird.“

„Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass es für Silvia kein Halten mehr gab.“ ergänzte Johan die Geschichte seiner Silvia. „Verwunderlich, dass sie nich sofort die Feier verlassen hat.“

„Stimmt,“ lachte Silvia.
„Am nächsten Morgen habe ich sofort den Besitzer ausfindig gemacht und kontaktiert.“
„Ich wusste von der ersten Sekunde an, ohne das Lokal besichtigt zu haben, das ist es.“
„Weinstube Korkenzieher ist mein Lokal.“

„Ich habe Gänsehaut.“
„Das ist fast tupfengleich wie mein Zuhause,“ erzählte ich und hatte feuchte Augen.
„Ich habe mich im vorbeifahren in das schiefe, scheppe Fachwerkhäuschen richtig verliebt und wusste, dieses Haus gehört zu mir, und ich zu ihm.“

„Genau so war es bei mir.“ „Ich wusste einfach, dass die Weinstube meins ist.“
„Nicht eine Sekunde habe ich gezögert, oder gehadert.“
„Ich habe niemanden befragt, was er von dieser ‚Idee‘ hält, weil es keine Idee war.“

„Mensch denkt, Gott lenkt, ist mein Leitsatz.“ „Es gibt keine Zufälle,“ sagte ich und lächelte Silvia an.
„Wenn es richtig ist, fühlt man und weiß es einfach.“

„Genau!“ „Drei Wochen später war die Tinte auf den Verträgen getrocknet, und ich musste mich auf die Socken machen, um die Finanzierung zu erstellen.

Ich lachte laut auf. „Das passt.“

„Gott sei dank war der Businessplan so gut wie fertig seit Jahren in der Schublade.“ „Ich musste nur hier und da ein wenig verändern und konnte damit bei der Bank vorstellen.“ „Die Bank sagte auch sofort zu.“
„Meine Eltern und mein Johan waren ohnehin an meiner Seite.“
„Niemand hatte je einen Zweifel daran, dass Silvia ein Lokal haben wird,“ ergänzte Johan die Ausführungen. „Für uns war klar, wir sind an ihrer Seite.“

„Ich stand am 1. September 2013 das erste Mal in diesen Räumen.“
„Gemeinsam mit meiner Familie und Freunden dekorierten und stellten wir um.“
„Am 2. September 2013 habe ich meine Weinstube Korkenzieher das erste Mal eröffnet.“

Niemand sprach mehr ein Wort, jedoch war dieses Gefühl präsent. Ich hatte Gänsehaut und Pipi in den Augen.

„Mittlerweile arbeitet hier in meinem Team nur noch Familie und Freunde.“
„Wir freuen uns täglich aufeinander.“ „Jeder Einzelne ist ein fester Bestandteil von der Weinstube.“
„Die Grenzen verwischen sich, da jeder im Team sich so verhält, als wäre es sein Lokal im besten Sinne.“

„Ich bin letztes Jahr aufgrund eines Unfalls 4 Monate komplett ausgefallen.“
„Ohne diesem Team und dessen Einstellung wäre ich verloren gewesen.“
„Wenn ich heute noch einmal so konkret darüber nachdenke, dann habe ich nicht nur ein Lokal, sondern mein Leben ist heimelig genau hier zuhause.“

„Ich bin kurz davor die Taschentücher zu suchen und schnuffle dezent die Nase.“

„Genau so fühlt sich das an,“ meinte ich sehr berührt.
„Leidenschaft, ehrliche von Herzen kommende Leidenschaft wird wechselseitig belohnt und befindet sich wie ein gut gehender Motor im immer währenden Dialog.“ „Leidenschaft berührt und schubst freundlich an.“
„Leidenschaft wie Deine bringt Bewegung und spürbares Leben.“

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„Du bist die Weinstube Korkenzieher und die Weinstube ist wie du“, denke ich.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah in direkter Nachbarschaft.
Ich freue mich sehr auf dich und die Zeit bei dir, bei euch….
Eure blaue Bank

 

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2 thoughts on “Ehrliche Leidenschaft wird belohnt!

  1. Eine wunderbare Erfolgsgeschichte zu einer unternehmerischen Initiative einer jungen Dietzenbacher Wahlbürgerin mit internationalen Wurzeln,ein Beispiel, das Mut macht,an eine Zukunft dieser Stadt zu glauben….

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