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Ich habe sie gefunden.
Die letzten Königinnen of hot rotary iron hot stuff! (anklicken)

Kennt ihr noch die alte Tradition der Mangelstubb?
Genau die gibt es in unserer direkten Nachbarschaft.
Ich versuche mal eine Audienz zu erhalten.
Ganz sicher weitere spannende Menschen direkt aus unserer Mitte..

Immer wenn ich unterhaltsam im Kreise von netten Menschen einen Abend verbringen will, gehe ich in das etwas andere Wohnzimmer in unserem Theater schöne Aussichten.
Direkt bei mir um die Ecke lässt sich das Theater sehr gut zu Fuß erreichen.
Selbstverständlich immer gerne aufgebrezelt mit hohen Hacken ist der Weg zum Theater über Kopfsteinpflaster nicht nur gefährlich, sondern der Gang sieht einfach eleganter aus aufrechten Ganges seinen Weg zum Theater zu gehen, als gebückt, an den Hauswänden abgestützt „immer an der Wand lang“.

So fand ich eines Tages den Stichweg von der Linde zu den Speyergärten.
Auf glatten Untergrund ist der Weg somit gut gelaunt und leichtfüßig möglich.
Auf der Ecke, direkt neben dem Eingang des Theaters fiel mir das Mangel-Studio am Harmonieplatz ins Auge.
Bei jedem Vorbeigehen beschäftigte mich ein weiteres Detail.
Die kunterbunte Farbe der Fassade, die flankierenden Pflanzen am Eingang, welche förmlich nach einem roten Teppich schreien, und immer wieder das Wort Mangel-Studio.

Was verbirgt sich hinter diesem „Studio“? Ich habe schlicht die alte Tradition aus Kindertagen vergessen, wo es Gang und Gebe war, dass ein wesentliches Merkmal einer guten Ehefrau nicht nur die Gardinen mit der Goldkante waren, oder die Krönung Frau Sommer, sondern die blütenweiß gestärkten 1 a gebügelten Hemden und Tischdecken, Platzdeckchen und die Witwe-Bolte Bettwäsche.

Ich bin in einem Haus groß geworden, in welchem mein Großvater mit seiner Schwester geboren worden war und später deren eigenen Familien gründeten. Diese Familien lebten genauso selbstverständlich in diesem Haus, wie die Nenntanten und später meine Eltern, Tanten, Bruder, Cousin und Cousine und ich.
Unser Urgroßvater war vorausschauend und hat seinerzeit top modern mehrgeschossig mit Toiletten IM Haus gebaut und einen riesigen Nutzgarten angelegt.
Im Sommer gehörte zum Bild aus Kindertagen die weiße Kochwäsche auf meterlangen Leinen die mit Stecken dazwischen gestützt wurden, damit die Betttücher nicht den Boden berührten.
Meine Oma war eine sehr humorvolle Rheinländerin, die alles mit einem Augenzwinkern lebte.
„Weißt du mein Kind,“ ergoss sie seinerzeit das Füllhorn ihrer Weisheiten über mich aus,
„Jede Frau ist besonders und für sich schön.“
„Die Ansammlung der vielen kleinen Facetten großartig zu sein, musst du wie kleine Kostbarkeiten sammeln.“
„Einzeln betrachtet mögen die kleinen Kostbarkeiten nicht außergewöhnlich sein, aber die Summe mein Kind, die Summe macht es aus.“
Somit lernte ich als kleines Mädchen:
„Es ist eine Frage der Ehre die weißeste und wohlriechendste Wäsche von allen zu haben. die in der Sommersonne noch ein ticken weißer werden“.
Mein absoluter Favorit aus dem Füllhorn meiner Oma ist und bleibt: „Kind, lege dir ab 30 Charakter und Humor zu, denn ab da ist das Aussehen inflationär.“
„Dann siehst du vielleicht nicht mehr so lecker aus, jedoch bleibt das gemeinsames Leben eine einzige Freude.“

Das Mangel-Studio ist tatsächlich eine Mangelstubb oder Plättstubb wie früher. „Das es so etwas noch gibt“, dachte ich und freute mich irgendwie darüber. Diese Menschen wollte ich kennenlernen.

Es ist soweit. Ich habe eine Audienz bei den Königinnen erhalten.Ankunft in der Mangelstubbich komme bei Monika und Heike an.2. Entladen vor der MangelstubbAuf Händen trägt mich dieses alte Adelsgeschlecht Dietzenbacher Tradition in deren heiligen Hallen mit ganz viel Geschichte.5. und rein gehts in die gute Stube…und hier darf ich nach Feierabend vor dem alten Mädchen der Heißmangel stehen.7. und das sind sie, die Königinnen der Heißmangel

„Möchtest du einen Espresso, oder Cappuccino,“ fragte mich Heike.
Ich weiß von Reiner, dass er gerne mal bei den Beiden vorbeischaut, bevor er sein Theater betritt.
„Die haben so einen leckren Cappuccino,“ vertraute er mir einst hinter vorgehaltener Hand an.

Kann sie Gedanken lesen, denn sie fragte: „Viele kommen immer mal vorbei, um ein Tässchen zu trinken.“
„Die Gerti mit dem Huskie oder der Reiner von nebenan zum Beispiel.“ Die kennst du doch auch.“

„Wie kommt man zu einer Mangelstubb,“ fragte ich schnell und fühlte mich in meinen Gedanken ertappt.
„Habt ihr die von euren Eltern geerbt“.
Die Beiden lachten schallend.
„Das ist wohl unser Elternhaus, aber die Mangelstubb haben wir 2010 übernommen,“ führte Monika aus und die spannende Geschichte einer Traditionsfamilie begann.

„Das ist euer Elternhaus,“ fragte ich und schaute mich in dem Raum mit einem Tresen um.
„Es sieht eher aus, als wäre es mal eine Gastwirtschaft gewesen.“
Eine weitere Lachsalve ergoss sich über mich, als hätte ich einen Brüller in der Fastnachtsbüdd rausgehauen.
„Die Harmonie war das Wirtshaus welches unsere Uroma einst 1896 gegründet hat.“
„Wo heute das Theater Schöne Aussichten ist, war unser Elternhaus.“
„Das hier war der ‚Partykeller‘ von unserem Papa.“ „Hier haben viele gesellige Abende stattgefunden, deshalb haben wir den Tresen stehen lassen.“
„Ursprünglich war die Mangelstubb gegenüber von der Harmonie.“
„Wie seid ihr dann auf die Idee gekommen, die Mangelstubb zu übernehmen,“ wollte ich wissen.
Die Beiden schauten sich an und kicherten erneut, als hätte ich einen guten Witz erzählt.
„Ich habe 20 Jahren in der Mangelstubb von Gisela Kühn gearbeitet,“ erzählte Monika.
„Das konnte ich nie verstehen,“ ergänzte Heike die Geschichte der Schwester.
„Für mich war bügeln die Höchststrafe.“
„Spannt mich nicht auf die Folter.“ „Wie kommt ihr dann dazu gemeinsam das Abenteuer eines Mangel-Studios einzugehen,“ und schaute von Monika zu Heike.
Heike grinste ihre Schwester an. „Wir saßen bei unserer Mutter in der Küche.“
„So wie wir jetzt.“
„Ich überlegte laut, ob es nicht eine gute Idee wäre, einen Gummibärchenladen im Rathaus Center zu eröffnen.“
„Da können wir auch gleich die Gisela fragen, ob wir ihre Mangelstubb übernehmen,“ meinte Monika.
„Die will in Rente gehen.“
„Wie hätten nie gedacht, dass diese Idee am Küchentisch tatsächlich funktioniert.“
„Gisela war begeistert, wir renovierten mit unseren Männern den Partyraum unseres Papas, zogen mit dem alten Mädchen um, und haben knapp drei Monate später hier eröffnet.“

„Mit welchem alten Mädchen seid ihr umgezogen.“ „Ich dachte Gisela wollte in Rente gehen.“
Es brauchte eine Weile, bis die Damen ihre Contenance zurückerlangten.
Als sie sich die Lachtränen aus den Augen weggetupft hatten, zeigten sie mir die alte Dame.9. das immer noch heiße alte Mädchen
Die alte Dame ist 1960 geboren…mein Jahrgang…10. mein JAhrgang

„Wir haben ihr nur einen neuen Anstrich verpasst.“
„Wenn es das alte Mädchen nicht mehr macht, hören wir auf.“
„Das nenne ich Loyalität,“ sagte ich und lachte selbst.

„In drei Jahren wollen wir aufhören.“
„Monika geht in Rente und alleine will ich die Mangelstubb nicht weitermachen.“
„Mit Monika war das Hand in Hand.“
„Durch sie habe ich wirklich Freude am Bügeln.“
„Mit ihr ist es keine Arbeit, sondern einfach nur schönes Miteinander.“
„Wir babbeln während der Arbeit über dies und das, lachen viel, bekommen immer zwischendurch Besuch.“
„Alleine kann ich mir das nicht vorstellen und Jemanden einzuarbeiten ist nicht das Gleiche.“
„Das haben wir bei den Aushilfen der letzten Jahre festgestellt.“

„Aufhören?“ „Ich stimme eindeutig dagegen,“ sprudelte es spontan aus meinem Mund.
„Die Tradition die Wäsche zum stärken und mangeln zu bringen, kennen nur noch die alten Generationen“, erzählte Monika die Geschichte weiter.

„Stimmt,“ dachte ich. „So ging es mir ja auch,“ bis ich die Beiden zufällig kennenlernte.
Erst durch sie kam meine Erinnerung aus Kindertagen ans Tageslicht.

„Wie funktioniert das,“ wollte ich wissen.“
„Bringe ich die gewaschene Wäsche, oder wascht ihr hier auch.“

Erneutes Gelächter zeigten mir meine Unkenntnis deutlich auf.
„Du bringst deine gewaschen Bettwäsche, Tischdecken, Platzdeckchen und wir stärken nach nach ganz alten Traditionen mit Reisstärke, und mangeln es auf unserer alten Dame.“

Auf meiner Walz durch unsere dörfliche Gemeinschaft habe ich schon ganz viel über alte Traditionen wie bei der Sendung mit der Maus oder bei uns ist es ja der sympathische Ludwig gelernt.
Jetzt lerne ich erneut, was ich fast vergessen hatte.

„Wie stärkt man mit Reisstärke, zeig mal.“ „Ich kenne nur die Sprühstärke aus dem Supermarkt.“

„Kein Vergleich.“
„Schau mal,“ sprach Monika und zeigte mir weiße, kleine Bröckchen in einer Schale.
„Das ist Reisstärke.“
„Die wird mit kochendem Wasser angerührt“.
„Danach wird die Wäsche in einem speziellen Waschgang mit dieser Lauge behandelt.“

„Weshalb stärkt man überhaupt Wäsche, damit sie bretthart anstatt superflauschig wird.“

Mit einem gütigen Lächeln, wie man ein Kind betrachtet, welches eine banale oder fast dumme Frage stellt, schaut mich Monika an.

„Wenn du in einem feinen Restaurant sitzt, liegen die Tischdecken akkurat und bilden einen edlen Akzent.“
„Außerdem weist es Schmutz ab und bleibt länger sauber,“ schließt sie pragmatisch ihren kleinen Exkurs aus alten Traditionen.

„Früher legten die Herren noch außerordentlichen Wert auf gestärkte Kragen, weil es edler aussieht.“
„Das hob den edlen Herrn vom Gesinde ab,“ dachte ich laut.
„Heute gibt es nur noch wenige Menschen, die auf diese Feinheiten Wert legen.“
„Die Tradition der edlen Wäsche stirbt im wahrsten Sinne des Wortes schlicht aus und wird nicht an die nächsten Generationen weitergegeben.“

„Vielleicht geht es den Meisten wie mir.“
„Die nachfolgenden Generationen haben nur die alten Traditionen vergessen, und wissen einfach nicht, dass es euch gibt.“
„Hätte ich euch nicht kennengelernt, wäre ich nie in eure Stubb gekommen und hätte nicht die peinlichen Fragen gestellt wie:
„Guten Tag, was macht den ein Mangel-Studio?“
„Bieten Sie Massagen an, oder was kann ich mir unter mangeln vorstellen?“

Ich bin froh und dankbar, dass ich meine blöden Fragen gestellt habe.
Nie mehr Bettwäsche bügeln.
Nie mehr den Boden vor dem Bügeln schrubben, damit die blütenweiße Pracht nicht durch den Boden verschmutzt wird, bevor ich auch nur annähernd mit dem Bügeln fertig bin.
Ich versuche auch mal die Nummer mit den edel gestärkten Kragen.
Frau darf auch Wert auf solche Dinge legen.

„Können wir noch einmal darüber reden, dass ihr nicht in drei Jahren aufhört?“
„Was müssen wir in unserer dörflichen Gemeinschaft tun, damit ihr mit eurer Tradition erhalten bleibt?
„Ich würde es außerordentlich bedauern“, und schaue mich noch einmal um.
Das Bild vom geselligen Papa hängt an der Wand.
Ein ganz altes Bild der Kerbbroschen, weil dieses Haus auch im Volksmund auch Kerbhaus genannt wird hängt direkt daneben.

Erneut habe ich es mit Menschen zu tun, die Wertschätzung, Respekt, soziale Kompetenz und Loyalität nicht nur in deren Rhetorik als Vokabel eingebunden haben, sondern tatsächlich so sind.

Die schüchterne Heike lernte ihren Mann vor 36 Jahren hier auf dem Kerbplatz kennen und beäugte ihn einst hinter der Gardine vom elterlichen Haus aus.
Monika lernte ihren Mann vor 46 Jahren in der elterlichen Wirtschaft am Tischfußball kennen.
Heike habe ich verschiedentlich mit deren Mann Axel im Theater Schöne Aussichten liebend und aufrichtig zugetan erlebt.
Hier steht man füreinander und miteinander, egal wie hart das Leben auch die Beiden forderten und fordern.
Hier wird sich zusammengerauft und gemeinsam entwickelt.
Geschwister arbeiten tagein, tagaus harmonisch zusammen.
Die Ehemänner unterstützen.
Alle sind füreinander ganz selbstverständlich da.
Hier begegnet man sich.
Das Bild der Mangelstubb in direkter Nachbarschaft zum Theater Schöne Aussichten wird immer stimmiger beim genauen Hinsehen.

Liegt es an Dietzenbach, dass hier diese Werte in so vielen Menschen verankert ist?
Es scheint fast so.
Ich habe schon Einige auf meinem Weg durch unser kleines gallische Dorf kennengelernt und bin zutiefst dankbar für diese Erfahrung.

Ich hoffe für meinen Teil, dass uns Monika und Heike noch ganz lange mit deren Traditionsbetrieb erhalten bleiben.
Ich komme am nächsten Samstag.
Das Bett soll mit von euch gestärkter Wäsche frisch überzogen werden, damit ich wie Frau Holle mit stolz geschwellter Brust für die Augen aller Nachbarn meine blütenweiße Pracht zum lüften im Fenster auslegen kann.
Es ist eine Frage der Ehre….

Von mir für euch… (anklicken)
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